Blatt 8
Unterschiedliche Positionen
Schönberg 1874-1951 |
Hauer 1883-1959 |
Hába 1893-1973 |
Hindemith 1895-1963 |
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Tonvorrat | 12-tönig temperiert | 12-tönig temperiert | Viertel-, drittel-, sechsteltönig temperiert | nicht temperiert, aus Ober- und Untertonreihe abgeleitet |
Auswahl aus Tonvorrat | 12-Ton-Reihe | nicht geordnete Reihenhälften | nach Regeln gewählte Ausschnitte aus dem Tonvorrat | hierarchisch geordnete Auswahl |
kompositorisches Material | die 48 Formen der 12-Ton-Reihe | Tropus enthält Schichten" (Melodie-Akkord) | Melodien, Harmonien wie üblich" | Melodien und Harmoniefolgen nach hierarchischen Regeln |
die Komposition | weitgehend traditionell mit gewissen Strukturierungen durch Reiheneigenschaften | aus den Strukturmerkmalen des Tropus abgeleitet - direktes Abbild der Materialordnung" | weitgehend konventionell | konventionell |
Bezeichnung der Kompositions-technik | Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen" | Zwölftonmusik" oder Zwölftönemusik" (Tropen-Lehre) | Musik im Viertel-, Drittel- oder Sechseltonsystem" | Aufgrund natürlicher" Tonverwandtschaften komponierte Musik |
Theoretische Werke des Komponisten | Harmonielehre" 1911 ohne Erörterung der Zwölftonreihenkomposition | Vom Melos zur Pauke" 1925 und Zwölftontechnik" 1926 | Neue Harmonielehre" 1927 | Unterweisung im Tonsatz" 1937 |
Beispiel zu Hauers Tropen-Lehre aus den Klavierstücken Opus 15:
Reihe" |
cis |
es |
fis |
g |
a |
b |
as |
h |
c |
d |
e |
f |
Die Töne sind der Reihe nach" aufgeschrieben. Der Tropus" dieser Reihenfolge für dies Stück hat die Form:
cis/es/g/a + fis/b und d/e/as/h + f/c
Um einen Tritonus transponiert:
g/a/cis/es + c/e und as/b/d/f + h/fis
Hauers Notation:
Hábas Mikrointervall-Systeme:
Ganzton geteilt in | die Oktav ist geteilt in | Besonderheiten der Notation | |
Vierteltonsystem | 4 Teile | 24 temperierte Intervalle | Notation kann vom höheren oder tieferen Ton ausgehen... |
Dritteltonsystem | 3 Teile | 18 temperierte Intervalle | eigene Notation, da nicht mit Halbton-Notation verträglich |
Sechseltonsystem | 6 Teile | 36 Teile | jede chromatische Note hat eine hohe und tiefe Variante" |
Theoretische Möglichkeiten beim Vierteltonsystem:
- der gesamte Tonvorrat wird genutzt, alle Intervallmöglichkeiten werden verwendet,
- es werden zwei vierteltönig verschobene 12-temperierte Systeme benutzt,
- es wird arabisch" komponiert: 7 Stufen werden ausgesucht, die den fixen Tonvorrat eines Stückes bilden (Maqam").
Die arabische Lösung", so produktiv und selbstverständlich sie in zahlreichen Hochkulturen der Welt ist, kam Hába nicht in den Sinn.
Hába geht häufig von regelmäßigen Systemen" aus, zum Beispiel:
- Ganztonleiter (6 pro Oktav), Halbtonleiter (12 pro Oktav),
- Leiter aus 3-Vierteltönen (8 pro Oktav)
- Leiter aus 4-Dritteltönen (9 in 2 Oktaven),
- Leiter aus 5-Sechsteltönen (36 in 5 Oktaven).
Aus einer regelmäßigen Konstruktion können viele unregelmäßige abgeleitet werden" (Hába). Besonders beim Sechsteltonsystem bietet es sich an, von der regelmäßigen 12-temperierten Chromatik ausgehend die Sechsteltöne als Trübungen" etc. anzusehen.
Hindemithes Herleitung der chromatischen Skala:
Hindemith geht von der Obertonreihe C-c-g-c-e-g aus und fasst jeden dieser Obertöne der Reihe nach als den 2., 3., 4. und 5. Oberton eines neu zu findenden Grundtons (faktisch also Mitglieder einer subharmonischen Reihe") auf:
C ist 3. Oberton von F,
C ist 5. Oberton von As,
E ist 3. Oberton von A,
G ist 5. Oberton von Es.
Damit sind die Töne C, Es, E, F, G und As aus der C-Obertonreihe gewonnen. Anschließend wird derselbe Prozess für die Quintverwandten F und G durchgeführt, was die Töne
F-As-A-B-C-Des und
G-B-H-C-D-Es
ergibt. Damit sind alle Töne außer Fis/Ges beisammen. Fis definiert Hindemith (willkürlich) als reine Terz über dem D. Das Resultat ist eine Chromatik" mit überwiegend einfachen ganzzahligen Verhältnissen, allerdings sind die Intervalle sehr unterschiedlich groß und weichen bis zu einem Sechstelton von der Temperierung ab.
Hindemiths Tonsatz" ordnet Verwandtschaften und Klangfortschreitungen ähnlich wie hier diese Ableitung. Daher kommen bevorzugt Parallelklänge" (A, As, E und Es in C) vor. Durch extreme Anreicherung von Intervallbezügen gelingt Hindemith eine nach Neue Musik" klingende Kompositionsweise. Schönbergs besten" Stücken kann er nachweisen, dass diese unbewusst" seiner Tonsatzunterweisung gefolgt sind! Denn: jede Musik folge den tonalen Schwerkräften. Schönberg erwidert dazu übrigens: Fliegen (in Flugzeugen) mache gerade deshalb Spass, weil es dabei gelingt, der Schwerkraft nicht zu folgen...