Entwickle eine Argumentation für mehr und bessere interkulturelle Musikerziehung" an deutschen Schulen als Konsequenz aus PISA unter Hinzuziehung der "Bastian-Ergebnisse"!
Blatt 19
PISA und Interkulturelle Musikerziehung 2003
Ausländische Kinder/Jugendliche an deutschen Schulen (in Tausend):
GS |
HS |
RS |
GY |
IGS |
KGS |
SS |
sonst |
ges. |
|
alle Schüler | 3355 | 1104 | 1263 | 2257 | 550 | 429 | 420 | 589 | 9967 |
Ausländer | 397 | 191 | 81 | 88 | 66 | ? | 63 | 66 | 952 |
Prozent | 11,8 | 17,3 | 6,4 | 3,9 | 12,0 | ? | 15,0 | 11,2 | 9,6 |
Interpretation dieser Tabelle: Der Ausländeranteil an Sonder- und Hauptschulen ist relativ extrem hoch, an Gymnasien relativ extrem gering. In ihrem Buch "Institutionelle Diskriminierung an deutschen Schulen" (Opladen 2002) zeigen Frank-Olaf Radtke und andere auf, dass Ausländerkinder nicht dümmer sind als Eingeborenen-Kinder, sondern "strukturell" benachteiligt. ökonomisch gesagt: Bildungsressourcen in Detschland sind aufgrund des Schulsystems ungenutzt! (Und das in einer Zeit, wo über Ingenieur-Mangel geklagt wird und ausländische "Greencard-People" importiert werden.)
PISA 2003
Neben den bekannt gewordenen Ergebnissen, dass deutsche Jugendliche (circa 15-Jährige) bei einem ihternational normierten Test von Rechenfähigkeiten und Leseverständnis weltweit sehr schwach sind, hat eine interne Ursachenanalyse unter anderem noch ergeben:
- In keinem europäischen Land ist die Schüllerleistung derart sozial-spezifisch wie in Deutschland, d.h. vom Einkommen bzw. dem sozialen Status der Eltern abhängig. Mit andern Worten: nirgends werden sozial Schwache so wenig gefördert wie in Deutschland. (Der innerdeutsche Spitzenreiter Bayern erzielt durch Extremwerte sozialer Selektion seinen hohen Mittelwert!).
- Das schlechte Abschneiden der deutschen SchülerInnen beim Leseverständnis korelliert mit dem Migrations-Hintergrund" der SchülerInnen. Mit anderen Worten: die Ausländerintegration ist sehr schlecht.
- In Ländern mit Ganztags- und Gesamtschulen ist die PISA-Leistung besser als in Deutschland. Bekanntlich ist Deutschland in Sachen "Ganztagsschule" ebenfalls ein Schlußlicht. (Gegen die Ganztagsschule in Deutschland spricht die Familienideologie und die Strategie, den Arbeitsmarkt durch Entfernung arbeitender Mütter zu "entlasten".)
Hans Günther Bastian ("Kinder optimal fördern mit Musik", Schott/Mainz 2001, S.57-58.):>
Dass das gemeinschaftliche Musizieren das soziale Verhalten positiv beeinflussen kann, wird in der Berliner Langzeitstudie über unterschiedliche Untersuchungsverfahren wiederholt bestätigt. ... Kinder mit erweiterter Musikerziehung fühlen sich sozial, emotional und leistungsmotivational in ihren Schulklassen integrierter als Gleichaltrige ohne diesen musischen Zugang.
Wir reden von sozialer Kompetenz in all ihren inhaltlichen Ausprägungen. Dazu gehört heute - mehr denn je - die Fähigkeit zur Integration.
Dietrich Gahntz (in: Musik und Bildung 12/2002, S. 69):
PISA ist eine Chance für die Schule, aber nur, wenn man die Bildungspolitik als eine Gesamtaufgabe betrachtet, ohne hektisch sich auf Teilbereiche von Unterrichtsfächern zu stürzen und diese mit noch mehr Unterricht befrachten zu wollen. Dabei ist Musikunterricht, richtig verstanden, ein Ort, der Spaß machen und gleichzeitig motivieren kann, vieles noch genauer wissen zu wollen - und das nicht nur in Musik!
CDU-Wulff im Niedersächsischen Landtag:
"PISA lehrt uns, dass endlich Schluss sein muss mit der Spaßpädagogik an unseren Schulen!"
Frank-Olaf Radtke (taz-Interview 8.7.2002, Autor eines Buches zur "Institutionellen Diskriminierung an deutschen Schulen", Opladen 2002):>
Der pädagogische Grundmechanismus, den wir im deutschen Schulsystem identifiziert haben, ist die Bevorzugung von Homogenität. Schulen wollen Klassen, in denen die Schüler gleiche Voraussetzungen für den gemeinsamen Unterricht im Gleichschritt mitbringen. ... Aus dem angelsächsischen Raum kennen wir das ethnic monitoring. Das bedeutet eine regelmäßige Berichterstattung über den Integrationsstand, die Suche nach Ursachen und Lösungen für noch vorhandene Differenzen und Defizite.
Bericht von der Türkischen Musikschule Oldenburg (Konzert im PFL 16.12.2002 und Offener Kanal 3.1.2003): Argumente des Schulleiters:
- "Die Kinder mit ihrer Heimatkultur vertraut machen und die türkische Sprache über die Liedtexte lernen/pflegen."
- "Kinder und Jugendliche von Kriminalität fernhalten."
Beobachtungen:
- Es spielen ausschließlich deutsch-türkische Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit. Also kein "Integrations- oder Begegnungsprojekt", außer im Konzert. Dies ist ja auch nicht der Anspruch.
- Im Instrumentalunterricht werden deutsche Lieder und Musikstücke einstudiert und deutsche Blockflötenlehrerinnen eingesetzt. Im Ensemble wiederum wird ausschließlich mit türkischer Kunst- und Volksmusik gearbeitet. (Instrumente des Ensembles: Saz, Trommeln, Kanun, Geigen, Cello, Querrflöte.) Faktisch findet also sehr wohl eine multikulturelle Musikerziehung statt.
Berichte von weiteren Projekten mit anderem Ansatz:
Deutsch-türkisches Musikprojekt der Rheinischen Musikschule Köln: deutsche und türkische Kinder spielen gemeinsam, es werden Arrangements von türkischer Folklore und klassischer Kunstmusik (Händel, Mozart) verwendet. Zudem werden aktuelle Sounds "orientalisiert (zum Beispiel ein "Oriental Boogie" im 7/8 Takt).
"Karneval der Kulturen" ist ein Projekt der Werkstatt der Kulturen in Berlin. Es treten fast alle kulturellen Ausländer-Gruppen Berlins sowie "Gast-Darsteller" auf und bilden einen riesigen "Karnevalsumzug". Näheres: www.karneval-berlin.de.
Bestandsaufnahme interkultureller Musikerziehung durch die Niedersächsischen Musikschulen:
Erhebung aus dem Jahr 1999 (64 der 80 Niedersächsischen Musikschulen).