11. Rezeptive Musiktherapie: Regulative Musiktherapie
Aktivitäten:
Warming up:
Regulative Musiktherapie:
Ziele und Stichworte zur Regulativen Musiktherapie:
Aus Christoph Schwabe: Die Sozialmusiktherapie (SMT), Crossener Schriften der Musiktherapie, 1998. Wahrnehmungsorientierte Musiktherapie:
Aus Christoph Schwabe: Die Sozialmusiktherapie (SMT), Crossener Schriften der Musiktherapie, 1998. Sozial-interaktionelle Musiktherapie"
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Protokoll
Warming up: Entspannungsübung.
Zum 1. Hören
Allgemeine Bestandsaufnahme". Wo steht" die Gruppe?
Die TeilnehmerInnen können sich einen bequemen Platz, soweit es möglich suchen, die Augen können, wer mag geschlossen werden. Noch einmal auf den Atem achten, den Körper nachspüren. Dann wird die Musik vorgespielt.
12 TeilnehmerInnen liegen am Boden, 2 sitzen auf einem Stuhl Zunächst scheint es allen leicht zu fallen, sich auf das MusikHören zu konzentrieren.
Erst zum Ende scheint leichte Unruhe aufzukommen. Ein Teilnehmer stützt sich auf die Ellenbogen, ein anderer öffnet die Augen. Dennoch scheint konzentriertes ZuHören zu überwiegen. Kein Teilnehmer scheint das Bedürfnis zu haben, das ZuHören abzubrechen.
Nach Ende der Musik ein langsames Zurückkommen in die Realität", sich recken, tief durchatmen, zurücksetzen in den Stuhlkreis.
Feedback: "Was habt Ihr wahrgenommen?"
Leicht zögernder Beginn der verbalen Mitteilungen. Dann beginnt jemand von seinen Wahrnehmungen zu berichten. Es wurde über Bilder erzählt (Als die Tiere den Wald verließen", Piratenromantik", im Schilf dümpeln, Sturm, Meer), über den Wunsch nach Entspannung, ein Teilnehmer berichtet, sauer geworden zu sein, weil die Musik schneller wurde. Jemand verglich die Musik mit Peter und der Wolf". Jemand empfand den Schluß der Musik als zu lang. Die Musik sei aufregend, anregend, dynamisch, abwechslungsreich.
Insgesamt entwickelte sich das Feedback zu einem lebhaften Austausch, der Mut", über seine Erfahrungen zu berichten, nahm zu.
Bestandsaufnahme: über Erlebnisse, Bilder, Körperwahrnehmungen, Musikwahrnehmungen berichten, sich trauen, Gruppe kennenlernen, unterschiedliche Äußerungen über das Erlebte und die Musik Hören und wahrnehmen. Insgesamt wurde für mich klar, daß der Bedarf nach allgemeiner Befindlichkeits"abfrage" noch sehr groß ist.
Zum 2. Hören:
Musikwahrnehmung.
Beim zweiten Hören und wiederum Aufforderung, sich einen bequemen Platz im Raum zu suchen, liegen alle TeilnehmerInnen auf dem Boden. Kurze Aufforderung, wieder zur Ruhe zu kommen. Dann beginnt das MusikHören.
Auch bei der 3. Übung ist wieder eine große Ruhe wahrzunehmen. Die TeilnehmerInnen liegen entspannt am Boden, kaum Körperbewegungen zu erkennen.
Nach Beendigung langsames Zurückkommen, tief durchatmen, strecken. Setzen in den Stuhlkreis.
Feedback: "Beschreibt die Musik!"
Zunächst wird auf die Frage eingegangen. Die Musik wird als leicht, tänzerisch, spielerisch, trippelschrittig, ruhig, lange Bögen, Tiefes hat getragen beschrieben. An Instrumenten wurden Flöte, Harfe, Celli, so etwas ähnliches wie eine tiefe Marimba? und Streicher gehört.
Auch wird vorwiegend über positive Bilder berichtet, zum Beispiel eines kleinen Vogels oder die Geschichte eines kleinen Mädchens. Auch Körperwahrnehmungen wie Kälte und Frieren" werden genannt., auch Gedanken (Alltag) werden angesprochen, aber nicht vertieft.
Insgesamt schien diese Musik freier, sorgloser, gleichförmiger, entspannender/ausruhend zu sein als die vorhergegangene Dvorak-Musik. Die jetzt gehörte Musik habe weniger Abwechslung, sei wenig spannungsgeladen.
Insgesamt reger Austausch der Gruppenteilnehmer, allerdings ist auch noch das Bedürfnis nach allgemeiner Mitteilung der Befindlichkeiten und Wahrnehmungen zu spüren.
Beobachtungen bei der rezeptiven Musiktherapie:
Alle GruppenteilnehmerInnen liegen auf dem Boden, bei Bedarf können Augen geschlossen werden. Kurz auf Atem hören, zur Ruhe kommen.
Danach wird die Musik gespielt. Die TN scheinen konzentriert zuzuhören, wie in der Vorstunde wenig Körperbewegungen, kaum Hüsteln oder Unruhe zu spüren.
Zum 3. Hören:
Selbstwahrnehmung
Zuerst wird von mehreren TeilnehmerInnen Kälte wahrgenommen. Eine Teilnehmerin berichtet, ihr sei kalt gewesen, andere bestätigen das. Wieder wird von Bildern berichtet, Klavierspieler, der auf dem Klavier spielt, sieht sogar die Hämmer auf die Klavierseiten schlagen, andere berichten von intensiver Musikwahrnehmung, beschreiben die Musik, Wechsel zwischen dynamisch, hektisch, trippelnd und ruhig, einer Teilnehmerin war das Stück zu lang. Auch einige Musikinstrumente (Klavier, Celli, Violinen) wurden benannt. Auch Gedanken wurden benannt, über den bevorstehenden Tag wurde nachgedacht, Alltagserlebnisse.
Nachfrage (Spiegeln) nach Körperwahrnehmung: "Welche Aussagen über Körperwahrnehmungen sind von den TeilnehmerInnen bisher getroffen worden?" Antworten und Ergänzungen: Kribbeln am Körper, Hand eingeschlafen, Herzrasen, Körper schwer und entspannt, Gänsehaut, Kälte.
Rückfrage: Wer hat beim Hören "strukturell" oder sonst irgendwie "professionell" gedacht? Antworten: So gut wie niemand hat so gehört, wie man es in Seminaren und Kursen und in der Schule im Musikunterricht lernt. Stroh berichtet, daß er auch an den klavierspielenden Menschen, das Konzertritual und die große Mühe und Anstrengung, so ein Klavierkonzert einzuüben und zu spielen, hat denken müssen.
Insgesamt sehr vielseitiges Feedback.
Anschließend kurze Einleitung in die Theorie, Institution, Zeit, Zeitraum, Dauer, Leiter und Co-Leiter und Formen der Musiktherapie.
Referat zu Texten von Schwabe:
Diskussion zum Referat:
Wie werden die kategorischen Äußerungen (zur "Brauchbarkeit klassischer Musik" usw.) eigentlich bewiesen, wie werden solche Erkenntisse gewonnen? Die im Referat vorgetragene Meinung ist in mehrerer Hinsicht durchaus umstritten: (1) Die Meinung gilt nur für eine rezeptive Musiktherapie, die Tonträger einsetzt, sie gilt nicht für eine rezeptive Musiktherapie, bei der die TherapeutIn ein Instrument selbst spielt (z.B. bei der trance-induzierenden MTh nach Strobel, der schöpferischen MTh nach Nordorff-Robbins usw.), (2) sie ist durch empirische musikpsychologische Forschung eher widerlegt als belegt, vor allem scheint es keine von Zusatzfaktoren unabhängige Musikwirkung zu geben ("entspannend" wirkt seditative Musik nur, wenn bereits eine gewisse Ruhe da ist, sonst wirkt eher aktivierende Musik entspannend - nach Gembris 1985). (3) Gerade Schwabe wird oft der Vorwurf gemacht, er kenne eben nicht sehr viel Musik. Karin Böseler berichtet, dass sie erheblich mehr Musik als die genannte einsetzt. (4) Es gibt viele MusiktherapeutInnen, die den Einsatz von Tonträgern grundsätzlich ablehnen. Hier stellt sich die Frage nach "Musiklauswahl" dann ganz anders oder gar nicht.
Die Regulative Musiktherapie (RMT) ist eine ganz spezielle Form der rezeptiven Musiktherapie. Es gibt noch viele andere Formen der rezeptiven Musiktherapie, z.B. Strobels trance-induzierende Musiktherapie oder das Guided Imagery and Music (GIM, siehe 13. Stunde!), die "Tagtraumreisen" von Meyberg (siehe 10. Stunde) usw. Die Einteilung "aktive" und "rezeptive" Musiktherapie bezieht sich nur auf ein bestimmtes musiktherapeutisches "Handlungsprinzip" (PatientIn macht selbst Musik - hört auf Musik) - ich würde lieber sagen "Handlungsweise" -, sie ist keine systematische Einteilung nach Therapiekonzepten oder Methoden. Viele Konzepte verwenden aktive und rezeptive Handlungsweisen. Das Besondere der RMT ist, daß sie zwei Phasen hat: (1) eine rein rezeptive Phase des ungelenkten Musikhörens und (2) das Gruppengespräch zwecks Beschreibung der Wahrnehmungsinhalte. Im Gespräch dürfen die Wahrnehmungen nicht gedeutet werden - weder von der TherapeutIn, noch von der Gruppe. Dies nennt Schwabe "akzeptierende Wahrnehmung". Die Wahrnehmung soll sich im Laufe der Zeit weiter entwickeln. Schwabe: "RMT fußt auf dem Handlungsprinzip einer stufenweise zu intensivierenden (akzeptierenden) Selbstwahrnehmung des Patienten" (Schwabe im Lexikon Musiktherapie1996, S. 317). Dabei sind die "Stufen" wichtig, von denen wir einige im Seminar durchgemacht haben. Warum, heißt das alles "regulativ"? Das Wort ist 1979 erstmals publiziert und öffentlich verwendet worden, damals mehr als Entspannungstechnik gedacht im Vorfeld einer Psychotherapie. Der Patient "reguliert" seinen Erregungszustand "nach unten" wie ein Thermostat (= Regelkreis) die Temperatur. Dabei wurde im Gegensatz zu anderen Entspannungstechniken nicht nur auf die Körperwahrnehmung (klassisch beim autogenen Training: Schwere und Wärme), sondern auch auf Gefühle u.a. geachtet. Aus der Hilfsfunktion wurde aufgrund dieser Erweiterung der Selbstwahrnehmung in den 80er Jahren ein eigenes - nach Schwabe "geradezu tiefentherapeutisches" - Konzept. Der Terminus "regulativ" ist geblieben, obgleich die einfache Thermostat-Funktion weggefallen ist. Gehen wir unseren Kurs mal durch, so hat Karin Böseler mit den tragenden Zielen "Selbst- Fremdwahrnehmung" bei fast allen "Aktivitäten" (= Handlungsprinzipien) einen "Schwabe-Ansatz" praktiziert, obgleich wir die meiste Zeit nicht rezeptiv, sondern "aktiv" gearbeitet haben. Dies zeigt, daß das zentrale Anliegen der Schwabe-Methode das "Wahrnehmungstraining" ist und dies mit allen möglichen Handlungsprinzipien verfolgt werden kann. 1997 hat sich Schwabe in einem Interview ärgerlich darüber geäußert, das im Westen ("alte Bundesländer") die RMT aus seinem "Methodensystem" herausgebrochen und "als das Nonplusultra" der Ost-Therapie betrachtet wird. (Man lese in "Musik, Magie & Medizin", hg. von Lutz Berger. Junfermann, Paderborn 1997, S. 154.157.) (Wolfgang Martin Stroh) |