Ein künstlerisch-wissenschaftliches Forschungsvorhaben
an der Universität Oldenburg, Institut für Musik
1995-2001
Kurzbeschreibung:
Audiovisuelle Brainmashine" zur Verwendung in größeren Räumen und zur
Nutzung durch beliebig viele Personen. Visuelle Stimuli durch computergesteuerte
Stroboskope, auditive Stimuli durch computergesteuerte Hemi-Sync-Signale, die in
Trance-Techno-Musik eingebettet sind.
Effekt:
Gehirnwellenresonanz im Thetabereich und Gehirnwellensynchronisation.
Ziel:
Erleichterung von Entspannungszuständen, z.B. in Chillout-Räumen.
erscheinen im EEG als Dominanz niederfrequenter Thetawellen im Bereich 4-8 Hz,
sind begleitet von einer Synchronisation der Wellen der beiden Gehirnhälften.
Erfahrung mit Biofeedback haben gezeigt, daß es einfacher ist, einen
Entspannungs- und Trancezustand anzunehmen, wenn man
bewußte Erfahrungen mit (erzwungenen) Thetawellen und synchronisierten Gehirnhälften
macht,
mit solchen Erfahrungen arbeitet".
Brainmashines sind Geräte, die
dem Gehirn über die Sinnesorgane Auge und/oder Ohr periodische Reize zuführen, die dem
Gehirn Thetawellen aufzwingen (Frequency Following Response),
durch regelmäßig wechselnde Reize auf die beiden Gehirnhälften diese zu synchronen
Schwingungen anregen (Hemi-Sync-Verfahren).
Auch im Alltag können die von Brainmashines bekannten Effekte ungewollt oder gewollt
auftreten. So können beim Autofahren (durch Tunnels, Baumalleen u.ä.) Lichtblitze die
Fahrenden in Trance versetzen und zu Unfällen führen. In Diskotheken können die
Lichtblitze von Stroboskopen ebenfalls Tranceeffekte hervorrufen. In aller Regel jedoch
sind diese Lichtblitze und die rhythmischen Reize der Musik hier nicht synchronisiert,
sodaß das Gehirn nicht weiß, worauf es sich einlassen soll.
Technisch sind Brainmashines so aufgebaut, daß dem Auge über Brillen Lichtblitze und
über das Ohr periodische Impulse zugeführt werden. Die Ohr-Impulse können explizit als
Impulse weißen Rauschens oder implizit als Modulation eines Geräusches, oder als
binaurale Schwebung über Kopfhörer dargeboten werden.
Problempunkte der herkömmlichen Brainmashines sind:
die Brillen wirken so aufdringlich, daß sie den Entspannungseffekt behindern,
Brillen und Kopfhörer fördern den walkman-Autismus",
die akustischen Signale sind synthetisch und nicht mit Musik verbunden.
Problempunkt beim Diskothekenbesuch ist, daß
die optischen und akustischen Reize nicht synchronisiert sind, was einen wirklichen
Entspannungs- und Tranceeffekt erschwert oder behindert.
Das Brainlab bietet eine Lösung dieser 4 Problempunkte und verbindet es mit weiteren
Vorzügen:
an die Stelle von Brillen treten Stroboskope, sodaß der Autismus" entfällt,
die Stroboskope werden mit der Musik strikt synchronisiert,
die akustischen Signale werden in Entspannungsmusik" (z.B. Trance-Techno)
eingebettet,
das Hören und Sehen kann in Gruppen und beliebigen Räumen stattfinden,
man kann zwischen bewegungsarmer und bewegungsbetonter Rezeption wählen.
Überblicksliteratur:
Wolfgang Martin Stroh: Handbuch New Age Musik. Con Brio-Verlag/Regensburg 1994.
Seite 251-310. Dort auch weiterführende Literatur und Zusammenstellung aller Anbieter.
2. Die Brainlab-Technik
Die Reizeinwirkung im Brainlab ist weniger intensiv als bei Brainmashines. Der
Entspannungs- oder Tranceeffekt ist aber dennoch größer, da viele negative (der
Entspannung entgegen wirkenden) Faktoren entfallen. - Wichtig ist aber, daß der
Entspannungs- und Tranceeffekt nicht zwangsweise und automatisch eintritt, sondern gelernt
werden muß. Beim ersten Erleben kann aber meist erfahren werden, in welche Richtung die
Wirkung verläuft.
Den technischen Kern des Brainlabs bilden Stroboskope, die von MIDI-Daten, die ein
Computer erzeugt und die üblicherweise elektronische Musikinstrumente zum Erklingen
bringen, gesteuert werden. Die Lichtblitzabfolge der Stroboskope kann also genauso am
Computer komponiert" und wiedergegeben werden wie irgendeine Musik. Mit einer
Midirecording-Software wird somit dreierlei erreicht:
die Musik (z.B. ein Trance Techno) wird erzeugt,
die binauralen akustischen Signale, die den FFR- und HemiSync-Effekt hervorrufen,
und
die mit diesen Signalen synchronisierten Stroboskopblitze werden erzeugt.
Die Standardausführung des Oldenburger Brainlabs enthält also folgende
Komponenten:
3. Die Brainlab-Session
Obgleich das Oldenburger Brainlab auch schon in Chillout-Räumen bei
Rave-Veranstaltungen eingesetzt worden und dabei dann nach Belieben" benutzt
worden ist, ist - gerade auch am Anfang - eine angemessen dosierte Steuerung im Rahmen
einer Session" zu empfehlen. Einerseits wird dadurch der Effekt größer und
kann andererseits die Gefahr negativer Folgeerscheinungen gemindert werden.
Wie bei der bekanntesten computergesteuerten Brainmashine Illuminator"
begint eine Session mit der Stimulation von Alphawellen. Die Brainlab-BesucherInnen werden
also bei einem entspannten Wachzustand abgeholt". (Daher sollte man in eine
Session nicht aus der größten Hektik heraus einsteigen.) Nach wenigen Minuten
verlangsamt sich in Verbindung mit geeigneter Musik das Tempo und kommt ca. 5 bis 10
Minuten nach Beginn bei einem Theta-Rhythmus an. Die Musik wird stark
ausgedünnt". Diese Tiefenentspannungs-Phase dauert zwischen 10 und 20 Minuten.
Der Einsatz der Anfangsmusik signalisiert dann ein allmähliches Erwachen, das Tempo
beschleuningt sich wieder. Mit einem Fade-Out im Alphawellen-Bereich endet die Session.
Eine Session dauer 30 Minuten und verläuft nach dem Muster:
Zeit
Licht
Musik
Funktion
00:00 - 03:28
grün/gelb Signale
-
Platz nehmen, Vorentspannung
03:28 - 05:38
05:38 - 09:40
Stroboskope
Intro: Heaven's Tears
bmp 180 (12 Hz) bis bmp 90
Beruhigung
von Alpha nach Theta
09:40 - 24:54
Stroboskope
Baß + Didgeridoo
bmp 90 (6 Hz)
Tiefenphase
Theta
24:54 - 26:43
Stroboskope
Extro: Heaven's Tears
bmp 90 bis bmp 180
Theta nach Alpha
Rückführung
25:43 - 28:19
Stroboskope
Musik: fade off
Erwachen
28:19 - 30:00
rot
-
ENDE
Verhaltensregeln:
Nicht zwanghaft auf besondere Erlebnisse warten.
Das Besondere kommt ganz von selbst.
Die Augenlider locker schließen, sodaß bunte Bilder durch die
Lichtblitze entstehen.
Versuchen, sich in die Lichtblitze und Musik hineinzulegen.
Falls nach ca. 5 Minuten noch immer Irritation vorherrscht und in Schwindelgefühle
übergeht, sollte das Brainlab verlassen werden. (In großen Räumen genügt es oft, die
Entfernung zu den Stroboskopen zu vergößern.)
Kooperationspartner und Anwender:
Eve & Rave Berlin - Verein zur Förderung der Technokultur und Minderung der Drogenproblematik
Homepage
Hans Cousto, der Urheber der "Planetentöne". Weitere Info über
"Planetware".
Bemerkung zum aktuellen Stand (2024) :
Das Oldenburger BrainLab existiert nach wie vor nur als
"Prototyp", d.h. mit einem von Hand gelöteten Equipment. Obgleich es schon
mehrtägige Härtetest in Chillout-Rooms heil überstanden hat, ist es technisch
zu schwerfällig (und auch im Hinblick auf das Gewicht zu schwer). Es haben sich noch keine Nachbauer gefunden. Inzwischen wären
beispielsweise für die getriggerten Stroboskope auch andere digitale Steuerlösungen
denk- und machbar. Das Tamas-Laboratorium hat auch bereits CD's produziert, auf deren
Tonspur Triggersignale encodiert sind, die mittels Interfaces abgegriffen werden können.
Es hat gelegentlich Nachfragen gegeben, doch scheuten sich die jeweils interessierte Ärzt*innen
vor dem sehr hohen technischen Aufwand. Eine überzeugende Evaluation des Ansatzes und der implizierten Thesen
hat daher nicht stattgefunden.