Unter "elektronischer Musik" verstehen Jugendliche und Student/innen heute ausschließlich elektronische Tanzmusik. Bezeichnend ist, dass das Themenheft "Elektronische Musik" der musikpädagogischen Zeitschrift "Musik und Unterricht" im Herbst 2019 die "klassische" Elektronische Musik überhaupt nicht mehr erwähnt. Zwar wird im Internet, wenn von elektronischer (Tanz-)Musik die Rede ist, immer wieder darauf hingewiesen, dass dies Genre Vorläufer im Kölner Studio oder in Paris gehabt hat und Pierre Schaeffer wird als "Godfather of Sampling" gefeiert. Dennoch ist es als Faktum anzusehen, dass die "klassische" Elektronische Musik (mit großem "E") sich durch die Umbenennung in "Elektroakustische Musik" - die durch den Band 5 des "Handbuches der Musik im 20. Jahrhundert" 2002 endgültig besiegelt worden ist - als elitärer Spezialfall des Elektronischen abgesondert hat. Im Editorial des Handbuches mit dem Titel "Elektroakustische Musik" steht daher konsequenterweise folgende Aussage:
"Es zählt zu den herausragenden Merkmalen elektroakustischer Musik, dass sie nach Anfängen in einigen wenigen Studios heute trotz oder gerade angesichts der weiten Verbreitung elektroakustischer Medien und Techniken in der Welt der Musik nicht gesichtslose Massenerscheinung wurde, sondern in dem feinsinnigen Ineinanderwirken von Technik und Ästhetik, zu dem sie fähig ist, immer noch eine Herausforderung an den musikalischen Geist stellt."
Dass 2020 sich beide Genres längst aufeinander zu bewegen, habe ich bereits in der 1. Stunde mit den Beispielen der "Elektronischen Szene" zu suggerieren versucht. So gibt es im Bereich der EDM viele interessante Versuche, die Grenzen dieses Genres als massenwirksamer Tanzmusik zu überschreiten. Zugleich haben viele Komponist/innen, deren Output der "Elektroakustischen Musik" zugeordnet wird, längst ein sensibles Ohr für alles, was sich jenseits der Ernsten Musik abspielt.
Vorgehen in einer 90-Minuten-Einheit: Teil 1 EDM - Vortrag zum heutigen DJ-Arbeitsplatz (15 Minuten), Kleingruppenarbeit zum DJ Westbam, zu drei Oldenburger Clubauftritten am 13.6.2020 und zu einem Tutorial "wie geht EDM?" (30 Minuten). Teil 2 EM - Einzel- oder Partnerarbeit zu siebenb Produktionen Elektroakustischer Musik in Coronazeiten April bis Juni 2020 (25 Minuten), Diskussion und Gegenüberstellung EDM/EM (20 Minuten).
Neben Blatt 11 mit umfangreichem DOKU-Anhang zur Elektroakustischen Musik gibt es Blatt 11a zur Deutschen Gesellschaft für Elektroakustische Musik (DEGEM) und Blatt 11b mit einer ausführlichen "Westbam-Story einschließlich Westbams programmatischen Artikels "Was ist Recordart?" aus dem Jahr 1985. Aufgabenblatt 11 wird bei Bedarf hinzu geogen, die PowerpointPräsentation Ppt11 führt durch die ganze Stunde.
Westbam hat 1985 die seinerzeit "Recordart" genannte EDM durch die Formel "vom Song- zum Trackkonzept" charakterisiert. In der 9. Stunde ist dies "Trackkonzept" am Beispiel "Techno" ausgiebig erörtert worden. Für den "Tanzcharakter" der DJ-Elektronik spricht die tranceinduzierende Monotonie und die Struktur des Materials, das in Baukastenform aufeinander getürmt und aneinander gereiht werden kann, sich also für das gezielte Reagieren und Manipulieren von tanzenden Menschen bzw. einer Partystimmung eignet.
Als typisches "Produktionsmittel" eines heutigen DJ und damit der elektronischen Tanzmusik kann der "DJ-Controller" in Verbindung mit zwei realen oder virtuellen Turntables gelten. Dieses Gerät kann live bedient, muss aber im Studio vorprogrammiert werden. Dabei wird im Studio die übliche Produktionsweise eingesetzt, und im (langweiligsten) Extremfall kann ein DJ auch einfach vollkommen vorgefertigte "Titel" hintereinander auflegen. Der DJ-Controller bietet aber erheblich mehr Möglichkeiten. Technische Details auf den Folien 10 bis 16 der Ppt11 (mit der Betonung auf dem Verständnis des Zusammenspiels von Software und Controller möglichkeiten) und in diesem von mir kommentierten Video:
Den hier vorgestellten DJ-Controller gibt es auch als "Stand-Alone", wobei alle Tracks, die sich ansonsten auf dem Computer befinden, im Controller selbst gespeichert und über ein Mini-Deisplay abrufbar sind. Das Werbevideo des New Yorker Scratch-Künstlers Shiftee zeigt das Zusammenspiel von traditionellem Vinyl-Scratchen mit dem Controller-Handling (z.B. Abrufen kurzer Samples über bunte Buttons):
Dies Video hat HD-Format (1280x720px).
1. Die Westbam-Story :
Westbam scratched 1989 einen eigenen Titel von 1988.
Arbeiten Sie mit einigen Teilen der „Die Westbam-Story 1988-2019.pdf“ auf Blatt 11b..
- Da das Material zu umfangreich ist, sollten Sie sich nur mit „Monkey Say, Monkey Do“ (original Westbam-Titel und seine eigene Scratchversion, Video oben!) und „Sonic Empire“ (sowohl der Titel selbst als auch die Entstehungsgeschichte) beschäftigen. Eventuell als Kontrast noch „No Facebook“ von 2019.
- Schritt 1: bloße Beschreibung der eingesetzten Mittel unter dem Aspekt „elektronische Musik“.
- Schritt 2: was meint Westbam mit seiner Aussage: „vom Song- zum Trackkonzept“? Kann man das „Trackkonzept“ hören?
2. Elektronische Tanzmusik im Club:
Dies Video hat HD-Format (1280x720px).
3. Elektronische Tanzmusik im Studio:
Dies Video hat HD-Format (1280x720px).
Ein „Tutorial“ der Zeitschriften KEYS und Recording Magazin 3/2020. Vorteilhaft ist, wenn man Ableton kennt, es genügen aber auch Cubase- oder Logic-Kenntnisse (die sind aber nötig).
- Notieren Sie in Stichworten, worin die „elektronische“ Arbeit des Tonmeisters besteht?
- Nehmen Sie „Blatt 2b-Touchpoad.pdf“ (aus der 2. Stunde) zur Hand und sehen sich die 7 Kriterien für „elektronische Musik“ unten auf dem Blatt an.
Welche Kriterien sind hier erfüllt, welche nicht?
Um die Aktivitäten der DEGEM zu charakterisieren, sind auf Blatt 11a sämtliche Newsletter, die die DEGEM im Corona-Zeitraum 30.4. bis 28.6.2020 an ihre Mitglieder verschickt hat, zusammen gestellt. (Es wurde auch ein Newsletter mit dem Hinweis auf die Internetpräsentation des vorliegenden Seminars verschickt.)
In Einzel- oder Partnerarbeit soll jeweils eines von sieben Musikstücke, die in diesen Newslettern verlinkt worden sind und in diesem Zeitraum jeweils uraufgeführt wurden, zur Kenntnis genommen und im Plenum den anderen Seminarteilnehmer/innen vorgestellt werden:
Stichworte zur Abgrenzung EM und EDM |
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Stichworte zu Gemeinsamkeiten
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An der FU Berlin beschäftigen sich Martha Brech und Mitarbeiterinnen schon seit längerer Zeit mit der Analyse Elektronischer Musik mittels Sonogrammen. Sie benutzen dazu die Software "Acousmographe" von INAGRM (Info hier).
Rand Weis: an_tr02_sl
2018 und 2019 hat Brechs Arbeitsgruppe sich mittels dieser Analysemethode für die "Rehabilitation" von Techno innerhalb der Community der Elektroakustiker/inne eingesetzt. Die einschlägigen Publikationen befinden sich hier: Brech 2018 und Brech 2019 (jeweils als pdf). Von besonderem Interesse sind die eindrucksvollen drei Titel, die sie mit "Experimental Techno" bezeichnen, unabhängig davon, was man von der sonographischen Analyse hält:
Age Coin: Damp
Rand Weis: an_tr02_sl
Vofa: Lisiaxte
Links zu Vereinen und Foren von EM und EDM
Vereine der EM (elektronischen und elektroakustischen Musik)
Deutsche Gesellschaft für Elektroakustische Musik (Verein aller deutschen Elektronischen Studios und Komponisten der Avantgarde/Kunstmusik): www.degem.de
Dokumentationszentrum Elektronischer Musik (Verzeichnis von 50 000 Werken von über 1000 Komponisten; läuft derzeit aus) www.emdoku.de
Electroacoustic Music Studies Network. Sehr aktiver Verein mit jährlichen (internatioalen) Konferenzen. Alle Referate der Konferenzen sind über die „Proceedings“ zu finden. http://www.ems-network.org/
Sound and Music Network SMC (ein europäisches Netzwerk Elektronischer Studios und Komponisten): http://www.smcnetwork.org/
International Computer Music Association ICMA (seit 1974 jährlich eine umfangreiche „Konferenz“): http://www.computermusic.org/
Association for Electronic Music (Ein Netzwerk von “Produzent/innen” elektronischer Musik, also Firmen, kommerzielle Studios etc.): https://www.associationforelectronicmusic.org/
Foundation of Electronic Music (überwiegend US-Szene, Internetplattform verwahrlost): http://emfinstitute.emf.org
Group der Recherches Musicales (GRM - auch Institut National Audiovisuell INA: aktuelle Fortsetzung der „musique concrète“, verknüpft mit dem Institute of Sonology http://sonology.org/ und https://inagrm.com/en
Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique (IRCAM – das renommierte und einflussreiche Forschungszentrum für elektronische Musik in Paris) https://www.ircam.fr/
Studio voor Elektro Instrumental Muziek (STEIM, führend in der Entwicklung interaktiver Elektronischer Musik) https://steim.org/
CTM-Festival (jetzt „Festival for Adventurous Music & Art” ehem. „Festival für experimentelle und elektronische Musik“, anfangs „Club Transmediale“) in Berlin https://www.ctm-festival.de/news/ und https://www.youtube.com/user/DISKCTM
Dokumentationen zu EDM und Techno
Online-Magazin für Elektronische Musik MEMI (seit 2010 eingestellt): http://www.memi.de/
Superbooth Berlin (Messe rund um elektronische Musik/-Instrumente), fiel im April 2020 aus: https://www.superbooth.com/de/
EDM Free Downloads: https://www.edmsauce.com/free-electronic-dance-music-downloads/
Auf soundcloud.com sind die deutschen Techno-Altmeister ausführlich dokumentiert:
Paul van Dyk https://soundcloud.com/paulvandykofficial
Westbam https://soundcloud.com/westbam_soundcloud
Sven Vaeth https://soundcloud.com/svenvath-music
MaDay-Official, eine Zusammenstellung vollständiger DJ-Sets aus MayDay 2019 und einigen früheren (je über 1 Std. Dauer) https://soundcloud.com/mayday-official
Aufgabe 1
Lesen Sie Teile des Fazits Seiten 203-208 Buches „Ich bin der Musikant mit dem Laptop in der Hand“ von Sebastian Vogt aus dem Jahr 2011 (Quelle).
- Skizzieren Sie das Hauptergebnis des Autors und nehmen Sie dazu Stellung! Gibt es auch Gegenargumente?
Aufgabe 2
Analyse der „Intelligent EDM“ von Dabrye mit Methoden des Sonogramms von Martha Brech. Setzen Sie sich mit einem Berliner Forschungsansatz zu EDM und Techno auseinander!
Material: Titel „Water“ von Dabrey https://www.youtube.com/watch?v=oun4Gu9PVro und die Seiten 188-191 des Aufsatzes „Techno - Interaktion von Komplexität und Simplizität“
- Wie schätzen Sie diese Art der Musikanalyse generell ein - und wie im Falle von elektronischer Musik?